Die Wirtschaftlichkeit von Immobilienprojekten steht und fällt mit der Höhe der steuerlichen Belastung von Grund und Boden. Daher ist die Immobilienwirtschaft alarmiert, seitdem klar ist, dass die Grundsteuer verfassungswidrig ist und dringend reformiert werden muss. Welche Reformansätze existieren und welcher Ansatz sich aus Sicht der Immobilienwirtschaft durchsetzen sollte, haben wir mit Dr. Hans Volkert Volckens, dem Vorsitzenden des ZIA-Ausschusses Steuerrecht, besprochen.

Redaktion: Die Reform der Grundsteuer ist in aller Munde. Wieso muss sie überhaupt reformiert werden?
Volckens: Weil sie verfassungswidrig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat nach seiner mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2018 am 10. April 2018 geurteilt. Danach sind die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den alten Bundesländern jedenfalls seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Laut dem Bundesverfassungsgericht führt das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.

Redaktion: Bis wann hat der Gesetzgeber Zeit nachzubessern?
Volckens: Bis zum 31. Dezember 2019 muss die Grundsteuer neu geregelt werden. Bis dahin dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Sobald eine Neuregelung verkündet wurde, dürfen die Regeln ab Verkündung für weitere fünf Jahre angewandt werden, allerdings maximal bis zum 31. Dezember 2024.

Redaktion: Da bleibt nicht viel Zeit. Welche Reformansätze gibt es denn?
Volckens: Nachdem schon viele Modelle diskutiert und auch wieder verworfen wurden, sind nunmehr anscheinend noch drei Modelle im Rennen. Das in der letzten Legislaturperiode durch die Länder eingebrachte Kostenwertmodell, das die Bemessung beim Boden anhand der Bodenrichtwerte der Gutachterausschüsse, also dem durchschnittlichen Verkaufswert eines bestimmten Gebiets, und beim Gebäude anhand von typisierten Herstellungskosten vornehmen will. Das Südländermodell, das ohne eine Wertermittlung auskommt und ausschließlich auf die Flächen von Grundstück und Gebäude abstellt. Und das Bodenwertmodell, das bei der Bemessung die Gebäudekomponente unberücksichtigt lässt und nur den Bodenwert zugrunde legen will.

Redaktion: Das Kostenwertmodell klingt dabei am kompliziertesten…
Volckens: Das ist richtig. Vereinfacht ausgedrückt will man darauf schauen, was ein Gebäude von beispielsweise 1950 kosten würde, wenn man es jetzt bauen würde. Dabei soll zwischen verschiedenen Nutzungsklassen unterschieden werden. Allein bei Mischnutzungen stellen sich hier schon Bewertungsfragen.

Redaktion: Was halten Sie von diesem Modell?
Volckens: Wir sehen es kritisch. Wenn die Bodenwerte und Baukosten – wie bei diesem Modell vorgesehen – regelmäßig aktualisiert werden, folgt daraus nicht nur ständig wiederkehrender Aufwand, sondern auch eine ständig steigende Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer. Im Zusammenhang mit diesem systematisch verankerten Anstieg der Bemessungsgrundlage ist es besonders misslich, dass der Entwurf nicht den Nachweis eines niedrigeren tatsächlichen Wertes zulässt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgeschlagenen Modell eine Benachteiligung des Neubaus.

Redaktion: Es bleibt nicht viel Zeit. Könnte das Kostenwertmodell überhaupt rechtzeitig umgesetzt werden?
Volckens: Vermutlich nicht. Dafür ist aus unserer Sicht die Fristsetzung des Bundesverfassungsgerichts zu kurz. Für das Kostenwertmodell wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit einer Übergangszeit von zehn Jahren gerechnet.

Redaktion: Und welches Modell bevorzugt der ZIA?
Volckens: Für uns sind die Aufkommensneutralität und die Administrierbarkeit der Grundsteuer der Maßstab. Die Administrierbarkeit wäre aus unserer Sicht am besten durch das Südländermodell gewährleistet, das auf den Flächen der Grundstücke und Gebäude basiert. Die Erhebung von Verkehrs- bzw. Kostenwerten erscheint kaum geeignet, dies zu gewährleisten, weil dadurch die Bürokratie steigen würde. Durch eine (kosten)wertorientierte Bewertung zum Zweck der Grundsteuer wäre also eine unnötige Verkomplizierung zu befürchten. Die daraus resultierende Bürokratie wäre vermeidbar. Insbesondere, weil dieses Modell auch streitanfälliger als das Südländermodell wäre.

Redaktion: Ist die Aufkommensneutralität mit dem Kostenwertmodell machbar?
Volckens: Die Aufkommensneutralität hängt letztendlich von der Gestaltung der Steuermesszahlen der Länder und der Hebesätze der Kommunen ab. Allerdings wurde von offizieller Stelle bereits anhand von Proberechnungen für Hamburg auf die Gefahr der sozialen Unverträglichkeit des Kostenwertmodells hingewiesen. Wenn die angedachten Anpassungen von Steuermesszahlen und Hebesätzen unterblieben, würde die Grundsteuer für Immobilieneigentümer explodieren. Das Kostenwertmodell könnte die Grundsteuer im Schnitt verzehnfachen.

Redaktion: Wäre eventuell das Modell der Bodenwertsteuer ein geeignetes Instrument?
Volckens: Nein, auf keinen Fall. Da das Bodenwertmodell sich ebenfalls am Wert eines Grundstücks orientiert, macht auch dieses Modell eine Neubewertung notwendig. Der hiermit verbundene bürokratische Aufwand wäre enorm. Darüber hinaus darf mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes durchaus kritisch gefragt werden, wie dieser gewahrt sein soll, wenn ein unbebautes Grundstück gleich behandelt würde wie ein bebautes Grundstück. Und unter dem Gesichtspunkt des Äquivalenzprinzips müssten sich Kommunen auch fragen, wie ohne eine Berücksichtigung des Gebäudes, also mittelbar die ansässigen Einwohner, die entstehenden Kosten für Infrastruktur für die Einwohner fair an die Nutzer dieser Infrastruktur weitergegeben werden sollen.

Redaktion: Wie würde es denn weitergehen, wenn das Kostenwertmodell offiziell verkündet würde?
Volckens: Infolge der Reform müssten circa 35 Millionen Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe zum Stichtag 1. Januar 2022 in den darauffolgenden Jahren neu bewertet werden. Eine solch umfangreiche Neubewertung wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Sie setzt die Mitwirkung der Grundstückseigentümer voraus und wird nach Schätzung der Länder selbst bis zum Jahr 2027 dauern. Danach soll alle sechs Jahre eine Aktualisierung erfolgen.

Redaktion: Und wann wird das Grundsteuergesetz dann angepasst?
Volckens: Sobald alle Immobilien neu bewertet wurden, werden sich die Länder mit den Grundsteuermesszahlen beschäftigen. Erst in dieser Phase wird das Grundsteuergesetz entsprechend angepasst. Sollte die Bewertungsgrundlage in Folge der Neubewertung steigen, müssten die Grundsteuermesszahlen von den Ländern und die Hebesätze durch die Kommunen nach unten korrigiert werden, damit eine aufkommensneutrale Grundsteuerreform sichergestellt wird. Denn so ist es laut Gesetzesbegründung vorgesehen und von den Finanzministern beschlossen.

Redaktion: Herr Dr. Volckens, herzlichen Dank für das Interview.